Es gibt so einige Initiativen und Projekte, welche auf ihre eigene Abschaffung hinarbeiten. Amnesty International, Human Rights Watch, Greenpeace – sie alle reihen sich in diese Liste ein. Alle diese Organisationen haben sich schier unmögliche Ziele gesetzt, doch es ist tatsächlich so: würden sie sie erreichen, so müssten sie sich auflösen. Doch wie ist das mit foodsharing e.V.? Das Hauptziel der Organisation ist es, Lebensmittelverschwendung ein Ende zu bereiten. Ganz allgemein kann mensch sagen, dass das ein ohnehin nur schwer zu erreichendes Ziel ist; zumindest, so lange das kapitalistische Wirtschaftssystem, welches auf Profit und nicht auf Bedürfnisbefriedigung aus ist, das weltweit vorherrschende ist.
Doch Kapitalismus hin oder her: arbeitet die Organisation beständig auf ihre eigene Auflösung hin? Und falls dem so ist: welchen Problemen muss Mensch sich dabei stellen?
Meiner Meinung nach sollte es natürlich Ziel von foodsharing sein, einen Zustand zu erreichen, welcher die eigene Existenz überflüssig macht. Aus heutiger Sicht ist dieses Ziel ohnehin nur schwer zu erreichen, aber auch nicht gänzlich unmöglich. Die Problematik, die ich hierbei jedoch sehe – und welche ich durchaus auch bei mir selber wiederfinde – ist die, dass Mensch die Dinge, die Mensch gerne macht bestenfalls höchst ungern wieder einstellt. Menschen, die mich kennen, wissen auch: für foodsharing e.V. und insbesondere für unseren lokalen Ableger foodsharing Halle (Saale) bin ich seit ein paar Monaten Feuer und Flamme. Für mich hat sich foodsharing also zu einem festen Bestandteil meines Aktivisten-Lebens gemausert und wäre das Projekt von heute auf morgen nicht mehr da, so würde mir auf jeden Fall etwas fehlen. Ich hadere also ständig mit mir, da ich wie in einem Teufelskreis gefangen bin: je länger ich mich für foodsharing engagiere, desto größer wird auch meine emotionale Bindung an das Projekt werden. Mir gehen Fragen durch den Kopf wie z.B.: sollte ich mich tatsächlich so sehr für foodsharing engagieren, wenn ich doch weiss, dass das Erreichen des Hauptziels mir den Boden unter den Füßen wegziehen würde?!
Doch dann denke ich mir wieder:
Ja, es ist richtig, dass ich mich für foodsharing engagiere. Es ist der richtige Weg.
Also mache ich weiter. Doch wie mit dieser Widersprüchlichkeit umgehen?! Ich finde, Mensch kann sich dabei gar keine richtige Strategie erarbeiten. Im politischen Leben ist es häufig so, dass Mensch nicht über das Erreichen des selbstgesetzten Ziels hinaus planen kann – und gerade dann, wenn Mensch an Visionen arbeitet, ist das umso schwieriger. Manchmal kommt es eben darauf an, den richtigen Riecher zu haben, sich auf das zu konzentrieren, was Mensch für richtig hält. Was dann nach dem Erreichen des einen Ziels kommt, kann immer noch spontan entschieden werden. Eins ist sicher: ist eine Sache erledigt, gibt es immer auch eine weitere, die darauf wartet, erledigt zu werden!
Das ist die Essenz, mit welcher Mensch nicht nur an das Projekt foodsharing sondern auch an alle anderen politischen und sozialen Visionen gehen sollte: arbeite auf das Ziel hin, auch wenn dein Engagement dir noch so viel Spass bereitet; wenn du es erreicht hast, wirst du ein neues finden, welches zu erreichen dir mindestens genauso viel Spass bereiten wird. Gerade das ist doch auch das Spannende an politischem und sozialem Engagement:
Nicht nur Wege zu finden, um Ziele zu erreichen, sondern auch, Wege zu neuen Zielen zu finden.
Um noch einmal auf foodsharing zurückzukommen: noch ist das Projekt zu jung, um zu sagen, in welche Richtung es gehen wird und wieviel nachhaltigen Erfolg es letztlich haben wird. Ich befürchte jedoch, dass es auch einen Hang hin zu der Entwicklung gibt, dass foodsharing zum Selbstzweck verkommt, sprich, dass Mensch sich mit der Überproduktion abfindet, gerade weil es Initiativen wie foodsharing gibt, welche diese Überproduktion abfedern. Mensch muss sich also auch die Frage stellen, inwiefern es möglich ist, dass foodsharing sich in einem System durchsetzt, dessen Kernbestandteil u.A. die stetige Überproduktion und der Konsumfetisch ist. Erst wenn diese Frage geklärt ist, werden wir wissen, ob das Ziel von foodsharing – nämlich die Überwindung von Lebensmittelverschwendung – innerhalb des kapitalistischen Systems überhaupt möglich ist.
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